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Auf Tuchfühlung im Lake District!

Ganz früher kamen die Touristen per Bahn und Dampfschiff in den Lake District. Heute reisen die rund 14 Millionen Besucher pro Jahr hauptsächlich mit den eigenen Fahrzeugen ins grösste Naturschutzgebiet Englands. Es dünkt uns, es seien heute mindestens eine Million Briten auf dem Sonntagsausflug. Genau wie wir! Seitenspiegel einklappen, bitte!

 Wir sind ja im Moment in Maryport in der Grafschaft Cumbria. In nur 30 Minuten Fahrzeit sind wir von da aus mitten im Lake District, der ebenfalls in dieser Grafschaft liegt und wir bereits von einer früheren Reise kennen. Das Wetter ist wunderbar und der 2300 Quadratkilometer grosse Nationalpark hat uns schon das letzte Mal geflashed. Er hat den Status «UNESCO World Heritage Site». Die stolze Anzahl von 16 Seen hält die Natur für uns bereit, wobei die Engländer das mit den Bezeichnungen etwas genauer nehmen. Nur einer ist ein See, die anderen sind Mere oder Water. Ein Mere ist ein sehr seichtes Gewässer ist und Water doch nur eine andere Bezeichnung für See. Die Bezeichnung Tarn gibt’s auch noch. Ich habe einige Artikel überflogen und bin jetzt konfus!

 

Wir sind nicht die einzigen Ausflügler. Kaum sind wir losgefahren, überholen wir eine kleine Kutsche und ehe wir uns versehen, sind wir mit unserem Campervan mitten in einem Amateur-Velorennen. Dazu muss ich kurz erklären, wie die Strassen hier sind: Sie sind schmal und meist «single track». Ein andres Fahrzeug kreuzen geht nur bei einer Ausweichstelle und kilometerlang gibt’s keine Abzweigungen. Die Kurven habe ich noch vergessen, sie sind eng und die Fahrbahn uneben. Hat man also mal eine Strasse gewählt, ist man für lange Zeit auf dieser unterwegs. Hunderte von Rennvelofahrern sind also auf der gleichen Strasse wie wir (und andere Autofahrer) unterwegs. Es ist nichts abgesperrt oder signalisiert. Streckenposten oder Polizei sind auch nicht vor Ort. Das Rennen fügt sich einfach irgendwie in den Verkehr ein. Abwärts rasen waghalsige Fahrer wie Pfeile an uns vorbei und aufwärts kriechen sie vor uns hin. Speziell leid tun uns die, die bergauf hinter uns fahren, unser Dieselmotor findet das Kriechtempo etwas langweilig und schnurrt.  Wir sehen diverse platte Reifen, kein Wunder wer kommt auf die Idee mit dünnen Rennvelopneus auf diesen Strassen ein Rennen zu machen. Auch passieren wir diverse «am Strassenrand-Pinkler» und Zuschauer, die klatschen und jubeln – natürlich für diejenigen die fahren, nicht für die Pinkler. Irgendwie sind sich hier das Spektakel alle gewöhnt, nur wir nicht. Die Abstandswarner unseres Vans laufen schier Amok.

 

Wir erspähen eine Kreuzung und denken, raus aus dem Tohuwabohu! Zäck abgebogen kommt etwa nach 200 Metern ein Schild: Maximal 2 m Fahrzeugbreite darf hier durch. Shit, das auch noch! Wir haben 2.44 m. Passt nicht, also das Ganze retour. Rückwärts zurück ins Velorennen. Hinter uns bildet sich schon ein Stau, ein Herr meint, wir sollen einfach weiterfahren (super Idee, danke!). Dann quetscht er sich mit seinem Clio an uns vorbei. H-P hat Nerven wie Drahtseile, ich meine bemerkt zu haben, dass sie in dieser Situation ein wenig geflattert haben. Ein netter Herr merkt, dass wir in Not sind und blockiert mit seinem Range Rover die komplette Strasse. Wir können so zurücksetzen und uns wieder auf die ursprüngliche Strasse begeben. Alle halten an, auch die Velofahrer. Das Beste: Keiner reklamiert oder flucht. Die trinken einen Schluck und fahren easy ihr Rennen weiter! Statt 30 Minuten waren wir weit über eine Stunde, man könnte sagen als Rennveranstaltungs-Begleitfahrzeug, unterwegs.

 

Im Lake District angekommen geniessen wie wir die vielen anderen Besucher auch, die atemberaubende Natur. Die Pflanzen blühen was das Zeug hält – hatschi! Später fahren wir ins Städtchen Keswick und streunen etwas rum, bevor es zum Gin Tasting in Cockermouth geht! Die Lakes Distillery produziert Gin und Whisky und ist in England weit über die Region hinaus bekannt. Wenn wir schon mal hier sind, dass gönnen wir uns einen Gin Flight und etwas zum Schnabulieren. H-P hält sich als designated driver zurück. Mir rinnt der Gin die Kehle runter als wär’s Wasser. In Kombination mit meinen Medis bekomme ich fast Flügel. Ich zähle auf dem Rückweg abertausende Velofahrer. Ich war bisher mit Alkohol in diesen Ferien sehr zurückhaltend. In der Gin Distillery keinen Gin trinken, ging einfach nicht!

 

Auf der Rückfahrt wird es nochmals sehr eng! Wir kreuzen einen Linienbus und es passt keine Handbreit mehr dazwischen. Der Busfahrer milimetert an uns vorbei und gibt Zeichen, wir sollen den Seitenspiegel einklappen. So klappt's und zum Glück ist unser Van nicht breiter als die magischen 2.44 m!

 

Noch ein Einschub von gestern Abend: Es ist schon fast dunkel und wir sitzen im Van am Tisch, als plötzlich das Fahrzeug verriegelt wird. H-P öffnet wieder und es wird wie von Geisterhand nochmals verschlossen. Hä? Wir kontrollieren, wo unser Schlüssel ist. Da wo er immer ist! Unsere Alarmanlage geht los. Neben uns steht ebenfalls ein VW Grand California und unser Nachbar kann mit seinem Schlüssel unser Fahrzeug öffnen. WTF!

 

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