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38 Grad, kein Schatten und Schnee!

05.30 Uhr piepst der Wecker, gähhhhhn! Abfahrt ist 06: 15, wir sind früh unterwegs und über SD liegt eine dicke Wolkenschicht. Heute heisst es Road-Trippin’ und das nicht zu knapp. Rund 620 km liegen vor uns und dieser Trip wird extrem abwechslungsreich, da sind wir uns sicher! Outdoor Kunst, Temperaturunterschied von über 20 Grad, schicker Country Club und ein riesiger stinkender, toxischer See! Cool, oder?

Der Wasservorrat im Kofferraum ist aufgefüllt und in der Kühlbox, die wir in im Küchenschrank gefunden haben, sind einige Snacks eingepackt. Das Auto tanken wir in der Region San Diego, einen Starbucks Coffee ergattere ich auch noch. H-P hat sich in der Wohnung einen Filterkaffee gemacht und ich muss zugeben, der ist gar nicht so übel wie ich erwartet habe. Wir sind ready für den Road Trip!

 

Unser erster Outdoor-Kunst-Halt hat es in den letzten Tagen sogar in die NZZ geschafft. Unter dem Namen «Desert X» werden jedes Jahr Kunstprojekte im Coachella Valley (ja es ist das Coachella) umgesetzt. Eine Installation wurde bis im Juni dieses Jahr verlängert und das wollen wir natürlich sehen. Nur finden wir sie fast nicht. Als wir Highway runterfahren sagt das Navi, das wir am Ziel sind. Nichts ausser Büschen, Sand und nervöse Fliegen, die versuchen in meine Nase zu fliegen! Zufällig sehe ich eine kleine Tafel mit der Info, dass es ab hier einen Fussweg zur «Sleeping Figure» hat. Es ist bereits über 30 Grad warm und wir laufen die rund 1.5 km dorthin. Links und rechts «klappert» es im Gebüsch. Ich bin heilfroh, dass das nicht Schlangen, sondern riesige Heugümper sind, die so tönen. Trotzdem laufe ich den ganzen Weg im Anti-Schlangen-Stampfschritt.

 

Matt Johnson schuf die riesige aus Schiffscontainern erstellte Installation der schlafenden Figur, um über die Auswirkungen der Lieferkettenprobleme der letzten zwei Jahre nachzudenken. Ihr Standort entlang des Weges zum Hafen von Los Angeles, zwischen den Vertriebszentren in North Palm Springs und Desert Hot Springs, ist dabei nicht zufällig gewählt. Hier werden tagtäglich Unmengen von global zu exportierende und importierte Waren vorbeitransportiert. Die Sonne brennt und nachdem wir den Weg wieder zurückgelaufen sind, läuft uns der Schweiss den Rücken runter. Ab ins Auto und Klimaanlage an....nicht ganz so gesund, aber herrlich! Wir staunen übrigens nicht schlecht; um uns rum hat es mehrere Berge, auf welchen noch Schnee liegt! Schnee haben wir bisher in Cali noch nie gesehen.

 

Nächster Halt, Indio California: Seit fast einem Jahrhundert ist Shields Date Garden ein Ort, an dem die Dattelkultur zelebriert wird.  Von dem Moment an, als wir durch die Türe des Shops laufen, sind wir umgeben von jedem erdenklichen Produkt, welches aus Datteln hergestellt werden kann. Die Datteln sind natürlich direkt hier gewachsen und wir lernen auch, dass es männliche und weibliche Dattelpalmen gibt. Pollen werden von den Pflanzen erst ab Temperaturen über 30 Grad produziert. Früher wurden die Datteln mit an die Palmen montierte Leitern gewonnen, heute kommen Hebebühnen zum Einsatz. Im ganzen Coachella Valley hat es über 300 Farmen, welche vor allem Zwiebeln, Baumwolle, Zitrusfrüchte in allen Variationen, Trauben und natürlich Datteln produzieren.

 

Mit einem grandiosen Dattel-Milkshake in der Hand schlendern wir durch den riesigen Palm Garden und setzen uns unterwegs auf eine Bank, welche direkt an einem wunderschönen Teich liegt. Mittlerweile finde ich 32 Grad gar nicht mehr so heiss, das ändert sich allerdings sofort, als ich den letzten Schluck des kühlen Shakes getrunken haben. Shiiiit, I’m boiling! Jawohl, natürlich kaufen wir auch Dattelprodukte (und ja auch für Dich, Lieblingsbruder)!

 

Auf dem Weg zu Salton Sea fahren wir an unzähligen Dattelplantagen und riesigen Photovoltaik-Anlagen vorbei. Während viele beim Wort California an die top Beach Destination am Pazifik denken, ist Salton Sea das komplette Gegenteil. Es ist sozusagen das «vergessene Kalifornien» und genau das ist eben auch eine tolle Facette. Wir waren vor einigen Jahren schon mal hier und sind gespannt wie es heute ausschaut.

 

Salton Sea ist ein rund 1’000 km2 grosser See und damit der grösste in Kalifornien. Er ist unbeabsichtigt infolge eines Dammbruchs 1905 entstanden. Damals wurde versucht mit Wasserkanälen die Gegend fruchtbarer zu machen. Das ging schief und während zwei Jahren floss Wasser aus dem Colorado River in das Salton Tal, welches unter Meeresspiegel liegt. In den 30er Jahren war das hier dann das absolute Ferienmekka und Stars wie Frank Sinatra verbrachen viel Zeit in den luxuriösen Ferienresorts. Ein Problem gibt’s aber: Das neu entstandene Gewässer hat keinen Abfluss. So verdunstet in der Hitze über die Jahrzehnte das Wasser und eine hochkonzentrierte, toxische Salzlache bleibt zurück. Düngemittelreste, welche vor vielen Jahren in den See gelangt sind, haben noch eins oben draufgegeben. Also: Nicht baden, auch kein Kontakt mit dem Wasser, die einzige Fischart die noch rumschwimmt – nicht essen! Wieso sind wir dann hier? Wegen der einzigartigen Stimmung und wegen Bombay Beach. Da waren früher die prunkvollsten Resorts, heute ist es ein unglaublich skurriler, faszinierender und fast etwas unheimlicher Ort, der Künstler aus der ganzen Welt anzieht. Direkt am Ufer stehen unzählige Kunstinstallationen. Abgebaut wird hier nie etwas, es kommt einfach neues dazu. Wir sehen verrottete Überreste von Installationen, welche wir beim letzten Besuch noch ganz gesehen haben. Zum Teil laufen wir rum, zwischendurch nehmen wir das Auto um ein Stück weiter zu kommen. Mittlerweile ist es 34 Grad, nirgends Schatten und der leicht müffelnde Wind der bläst, fühlt sich auf der Haut noch heisser an. Ist das dort drüben ein Kind im Wasser? What the heck? 

 

Für den Lunch hat H-P ein Restaurant rausgesucht und gibt sich sehr geheimnisvoll. Es sei in der Region Borrego Springs eine Top Adresse, mehr wird nicht verraten. Ich frage mehrmals nach, ob sie uns in unserer Aufmachung und Verschwitztheits-Grad reinlassen. Probieren wir’s mal. Ich fahre nach Navi dorthin und wir stehen plötzlich vor den verschlossenen Toren eines schicken Country Clubs und Golf Ressorts. Die Security Mitarbeiterin fragt, was wir möchten und ich frage durchs offene Autofenster, ob wir im Restaurant Lunch essen können. Sie sagt ja und erklärt uns den weg zum Restaurant. Wow! Was für eine Anlage! An der Türe des Haupt-Gebäudes werden wir freundlich empfangen und als wir erwähnen, dass wir hungrig sind und gerne Lunchen möchten, werden wir auf eine Terrasse mit atemberaubender Aussicht geführt. Da wir spät dran sind, sind wir fast die einzigen Gäste. Mittlerweile ist es unfassbare 38 Grad heiss. Das ist aber kein Problem, denn wir werden von Ventilatoren angefächert und von Sprühnebel, der aus der Decke geblasen wird, gekühlt. Ganz ehrlich, das ist einer der schönsten Orte an dem ich je war! Well done, Mr Waldegger und herzlichen Dank für diesen fantastischen Lunch im Rams Hill! Was für ein krasser Kontrast: Vom toten See in den Country Club!

 

Eigentlich wollen wir gar nicht mehr weg, entscheiden uns aber nach einer ausgedehnten Mittagspause, weiterzufahren. In der Gegend von Borrego Springs stehen riesige Metallskulpturen-Tiere mitten in der Wüste. Wir sind im Anza Borrego Desert State Park und da will doch tatsächlich einer der Elefanten in unseren Chevrolet Suburban einsteigen. Sorry Buddy, keine Klimaanlage für Dich! Nachdem wir bei fast 40 Grad wieder in der Wüste rumgelaufen sind und viele Fotos von Fauna und Flora gemacht haben, sind wir reif für den Rückweg. Die Rückfahrt ist nicht weniger spektakulär und führt uns aus der Wüste über das Gebirge zurück nach Downtown San Diego. Dieser Tag war ein echtes Highlight! Cali we love you!

 

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