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Zwei Touristen auf den Spuren der Tin Miners!

So oft wollten wir schon hin und immer war sie geschlossen, die Greevor Tin Mine. In 90 Schächten und in über 160 km Tunnels wurde bis 1990 gekrampf wie man sich's kaum vorstellen kann. Jetzt klappt’s endlich mit unerem Besuch! Nach dem heutigen Tag kann ich ohne Wenn und Aber sagen: Highlight-Alarm! Ein «must visit» wenn man in Cornwall ist. Ich würde gleich nochmals gehen! ... aber dann eventuell keine beige Jacke mehr anziehen! ;-)

Treckingschuhe und Outdoor-Tenü sind montiert, wir fahren mit dem Auto ins 30 Minuten entfernte Pendeen. Dort besuchen wir heute die über die UK Grenzen hinaus bekannte Greevor Zinn Mine. 

 

Der Bergbau ist ein sehr prägender Bestandteil der Geschichte Cornwalls. Die kleine Grafschaft Englands produzierte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mehr als die Hälfte des Weltbedarfes an Zinn. Was ich seit heute weiss: Zinn hat’s irgendwie überall drin!

 

Wir starten den Tag mit einem grandiosen Full English Vegi Breakfast, um danach die Power zu haben, die wir auf den Spuren der Minenarbeiter benötigen. Der Kaffee ist so gut, ich bestelle mir grad noch eine zweite Tasse und der Ausblick im mineneigenen Café ist ebenfalls der Knaller. Es erwartet uns ein cooler Mix aus selber Erkunden, geführte Tour hinter die Kulissen und dann natürlich die Underground Tour! Wichtig: Auf dem ganzen Gelände müssen wir immer einen Helm tragen, später bei der Underground Tour bin ich dann noch so richtig froh drum!

 

Das genaue Datum, an welchem der Bergbau in der Geevor Tin Mine startet, ist nicht bekannt. Es gibt aber Aufzeichnungen, welche in das Jahr 1791 zurückführen. Damals hiess die Mine natürlich noch nicht so, dieser Name kam erst sehr viel später. Ich überspringe jetzt mal viele Jahre, bis ins 1911. Da wurde das Unternehmen «Geevor Tin Mines Limited» gegründet, um mit einem Kapital von 150.000 Pfund die 3 Minen North Levant, Geevor und Wheal Carne zu erwerben und zu betreiben. Nebst Zinn spielte auch der Abbau von Kupfer hier in der Region eine wichtige Rolle.

 

Es war ein brutaler Job, dem sich die Männer jeden Tag stellten. Ich denke, wir bekommen zwar eine Idee davon, können uns aber die körperliche Belastung nicht im Geringsten vorstellen. Eine Schicht unter Tag dauerte 8 h, für die die Bergarbeiter im Verhältnis zu anderen Berufen sehr gut bezahlt wurden. Vor der Schicht mussten sie aber noch zwei Stunden runterfahren sowie absteigen zum Arbeitsort und nach der Schicht wieder den ganzen Weg zurück. Der Arbeitsort war hier dann gut und gerne 21 Ebenen tiefer und 600 Meter unter dem Meeresspiegel. Für den Hin- und Rückweg wurden sie nicht bezahlt. Es war eng, dunkel, feucht, entweder sehr kalt oder zu warm, aufrecht stehen war nur an wenigen Stellen möglich. Zurück in den Umkleideräumen, haben die Arbeiter lange und heiss geduscht und bekamen zur Erhaltung der Gesundheit einen Multivitamin Cocktail aus verschiedenen Tabletten z.B. hochdosiertes Vitamin C. Die ganzen Klamotten wurden ordentlich aufgehängt und am nächsten Tag wieder angezogen.

 

Der Körper nahm den ganzen rötlichen Dreck durch die Haut und Atemwege so fest auf, dass der Schweiss eines Minenarbeiters auch noch Monate nach Beendigung der Minenarbeit rötliche Spuren aufwies. Trotz der unvorstellbaren Strapazen: Die Männer waren stolz auf ihre Arbeit, hatten einen unglaublichen Zusammenhalt und wurden von der Gesellschaft, ich würde schon fast sagen, als Helden, angesehen.

 

Im Oktober 1985 führte der plötzliche Rückgang des Weltpreises für Zinn zu "der Zinnkrise". Der Preis für Zinn fiel über Nacht von £ 10.000 pro Tonne auf £ 3.400. Ohne finanzielle Unterstützung von Investoren konnte kein kornischer Zinnproduzent diese Krise überleben. Die ganze Branche und damit einer der wichtigsten Wirtschaftszweige kam ins Trudeln. 

 

Im April 1986 wurde die Geevor Tin Mine, unter grossen Protensten der Öffentlichkeit und hochkochenden Emotionen, geschlossen. Es gab dann später nochmals einen Rettungsversuch, im Jahr 1990 wurde die Mine dann aber definitiv stillgelegt. Über Nacht verloren über 400 Männer ihre Arbeit. Die Umkleidekabinen sind heute noch so, als wären die Männer gerade rausgelaufen.

 

Die ganze Ausstellung ist extrem gut aufgebaut und die Details werden auch für Laien einfach erklärt. Der Mix aus Sehen, Ertasten und Hören ist top. In einem Raum wird z.B. der Lärm simuliert, dem die Arbeiter ausgesetzt waren. Wir blieben nicht lange drin, unfassbar krass!

 

Um 11.00 Uhr finden wir uns beim Meetingpoint für die Führung ein, treffen auf unsere Gruppe und unseren Guide Grant (ich nehme an Mr. Grant). Er hat selbst noch in der Mine gearbeitet und führt uns durch die Anlage an die Orte, zu denen man nur mit Begleitung Zutritt hat. Wir werden nochmals informiert, dass die Tour nur mitmachen kann, wer gut zu Fuss ist und passendes Schuhwerk trägt. Es geht nämlich über Stock und Stein! Wir starten da, wo das Fördermaterial aus der Mine raustransportiert, zu einer Steinsauce gemahlen und nach Bestandteilen getrennt wird. Wer schon mal Goldrausch Alaska auf DMAX gesehen hat, kann sich das in etwa vorstellen. Im Unterschied zu Parker Schnabel, der zwei Waschtische hat, stehen hier aber 90, die mit Wasser die feinsten Zinnbestandteile rausgefiltert haben. Eine kleine Anlage lässt Grant für uns sogar laufen um zu zeigen wir alles funktioniert. Nachdem wir sozusagen «Über Tag» alles gesehen haben, fragt Grant, ob alle die Underground Tour mitmachen. Zack, die Gruppe halbiert sich. What? Die machen nicht mit? Was haben wir da genau gebucht?  Eine Frau fragt nach, wieviel Platz man hat, sie habe Platzangst. Grant sagt, dann machst Du diesen Teil besser nicht mit.

 

Grant bringt uns zum Eingang des Stollens «Wheal Mexico Mine», welcher im 18. Jahrhundert gebaut wurde, öffnet ein Tor und sagt: «Viel Spass!» «Du kommst nicht mit?» «Nein, ich war schon oft in einer Mine und es ist wegen dem ganzen Regen sehr nass dort drin! Keine Sorge, es gibt nur einen Eingang und einen Ausgang und ihr seid auch nur ein paar Minuten unterwegs!». Keiner der Gruppe mach Anstalten reinzugehen, also gehe ich los und H-P ist direkt hinter mir. Anfangs denke ich noch, easy dann kann ich aufrecht einfach durchspazieren. Peng, habe ich mir auch schon den Kopf an einen Felsen gestossen. Aber mit Helm ist das alles kein Problem, hat kein bisschen weh getan. Weiter geht’s und es wird schmaler und niedriger, ab jetzt also nur noch in gebückter Haltung! Plötzlich läuft mir Wasser über den Helm direkt in den Nacken und den Rücken runter! Bääääähhhh, kaaaaalt! Riesige Pfützen hat es ebenfalls und die Füsse sind auch nicht mehr so trocken, wie sie mal waren! Ich zirkle zwischen den Felswänden durch, meine beige Jacke, eher Mantel, flattert schön überall der Wand entlang. Ich erahne, wie sie nach der Tour ausschaut. H-P’s Rucksack kriegt ebenfalls einiges ab! Egal! Etwa nach der Hälfte des Weges sitzt plötzlich ein jüngerer Herr auf einem Stuhl und fragt, ob alles ok ist? Wir sagen «ja klar, ist super» und laufen weiter! Licht am Ende des Tunnels! Yeah, wir sind wieder draussen. Das war so cool! 

 

Wir haben heute über 5 h auf dem Gelände der Mine verbracht und machen uns auf den Rückweg nach St Ives! Die Waschmaschine kommt definitiv noch zum Einsatz!

 

Die Bergbaulandschaft von Cornwall wurde übrigens im 2006 in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen und in vielen Teilen der Grafschaft sind die Ruinen und Überreste der einst florierenden Bergwerke noch zu sehen. Diese Restanzen sind insbesondere auf Wanderungen immer wieder faszinierend. Mit einer Fläche von 270.000 m2 ist die Greevor Tin Mine das grösste erhaltene Zinnbergwerk in Grossbritannien.

 

 

 

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