Desaster um unseren Lincoln – Spurensicherung durch die San Diego Police

Es ist Donnerstag und Mirjam kommt an. Selbstverständlich holen wir sie vom Flughafen ab! Scheppernde Trompetenmusik aus einem portablen Lautsprecher füllt die Ankunftshalle. Auch vier Mariachis (wer nicht weiss was das ist, muss halt googeln :-) ) geben ihr Können zum Besten. Es herrscht ein riesen Durcheinander. Zum Glück ist Mirjam etwas grösser als der Durchschnittsmexikaner, sie muss sich nämlich durch ca. 200 aufgeregte und mit „Welcome Home“ Plakaten bewaffnete Lations zu uns durchkämpfen. Es handelt sich um eine riesige Horde auf ihre Sprösslinge wartenden Eltern. Die Kids haben in London an einem Sprach-Übersetzungs-Wettbewerb teilgenommen und diesen auch gewonnen. 

Mirj steht neben uns, ohne Koffer....denn der ist noch in London. British Airways hat ihr nach langer Wartezeit bei „Lost and Found“ einige Infozettel und eine PrePaid-Kreditkarte mit geladenen USD 50 in die Hand gedrückt. Der Koffer könne morgen um 20.30 Uhr (wenn der nächste Flieger aus London kommt) abgeholt werden.

Wir fahren los Richtung 1050 Island Ave und halten unterwegs bei CVS Pharmacy um die nötigsten Sachen für Mirj zu kaufen. In den USA ist das auch um 22.00 Uhr kein Problem. Im Apartment angekommen, trinken wir noch ein Bier und schlafen dann später zügig ein.

Als Highlight haben wir am nächsten Tag den Besuch eines Baseballspiels geplant. Dieser wird jedoch etwas verkürzt, denn es steht noch der Koffer pick-up am Flughafen an, welcher sich mit dem Spielbeginn kreuzt. Der Koffer ist tatsächlich da und wir fahren wie der Blitz ins Station. Den Koffer lassen wir noch im Auto in unserer Tiefgarage und holen ihn dann nach dem Spiel ins Apartment.

Die Padres gewinnen 2 :1 gegen die Giants und sogar ein Homerun mit Feuerwerk wird uns geboten! Cheers mit Beers :-) sag ich da nur!

Am nächsten Morgen laufen wir schwatzend und lachend zum Auto. Unser Plan: Wir fahren zum heute stattfindenden Quartierfest am Fusse der Coronado Bridge. Ca. 2 Meter vor unserem Auto fällt uns die Kinnlade runter und wir bleiben schockiert stehen. Aktuell würde Bier zur Beruhigung nicht mehr reichen, jetzt müsste etwas Stärkeres her. In unser Lincoln wurde eingebrochen, das linke hintere Fenster ist komplett rausgeschlagen und an den beiden vorderen Fenstern hat es massive Spuren von Gewaltanwendung. Wohlverstanden: Wir befinden uns in der Tiefgarage unseres Gebäudekomplexes und nicht in der Bronx!

Mirj beauftragen wir mit ihrer Kamera Fotos von allen Seiten zu machen und die ganze Misere zu dokumentieren. HP und ich diskutieren kurz, was wir jetzt machen. Wir kehren zurück ins Apartment und ab dann läuft in etwa Folgendes ab:

• HP ruft 911 an. Es läutet und läutet und läutet und läutet und läutet. Nach unglaublich langer Zeit nimmt ein Mitarbeiter den Anruf entgegen. Wir wollen uns gar nicht vorstellen, es wäre etwas schlimmeres  z.B. mit Personenschaden passiert...... Der nette Herr am Draht teilt mit, dass für diesen Fall die San Diego Police zuständig ist und gibt HP die Nummer an.
• HP ruft die San Diego Police an. Diese verweist ihn an die Homepage, wo dieser Fall direkt online gemeldet werden kann.
• HP beginnt mit der Erfassung des Vorfalls auf der Homepage der Polizei und stösst auf die Schlüsselfrage: Handelt es sich um einen Schaden von mehr als USD 5000? Schon wir drei sind uns komplett uneinig und Ahnung haben wir auch keine. An dieser Frage entscheidet sich aber, ob der Fall online abgewickelt werden kann oder nicht. Die Erfassung des Falles wird unterbrochen.
• Telefon an AVIS, Schilderung des Falles und Frage nach der ungefähren Schadenssumme. Dieses Telefon birgt einige Herausforderungen, denn der Mitarbeiter von AVIS nimmt vermutlich sonst nur Meldungen von platten Reifen und überhitzten Motoren entgegen. Bei der Frage nach der Schadenssumme windet er sich wie ein Fisch im Netz und sagt zum Schluss.....ja der Schaden ist vermutlich höher als USD 5000! Nachdem HP beteuert, dass er mit diesem  Auto nicht mehr bis zum Flughafen San Diego fahren kann, verspricht AVIS uns demnächst ein Abschlepper mit neuem Auto zu bringen und das defekte Auto abzuholen.
• Wir rufen also wieder bei der San Diego Police an. Dieses Mal ist eine andere Person am Telefon und verspricht, so rasch als möglich ein Team zu uns zu schicken. Es könne aber einen Moment dauern, da aktuell alle Teams im Einsatz sind. HP gibt noch seine Personenbeschreibung ab und vereinbart, dass wir direkt beim Restaurant Brooklyn Bagel auf die Polizei warten, damit sie uns schnell finden.
• Kaum 5 Minuten vergangen, fahren zwei Polizisten (1 Frau und 1 Mann) vor und begrüssen uns freundlich. Die Nervosität verfliegt, es stehen keine angsteinflössenden Rambos vor uns! Wir schildern kurz, was passiert ist und sie bitten uns, das Auto und den Ort des Geschehens zu zeigen.
• Nach Betrachtung der Situation bittet die Polizistin ihren Kollegen, das Material für die Spurensicherung zu holen. Und dann sind wir plötzlich mitten in einer Folge CSI San Diego, in unseren Köpfen läuft der Vorspann der Serie ab. Mit Pinsel, Klebeband und Kamera werden Fingerabrücke und Spuren gesichert. Mit Taschenlampen das ganze Auto ausgeleuchtet und minuziös alles notiert. Die Tiefgarage wird abgesucht. Wir sind tief beeindruckt, wie die Polizisten mit uns und der Situation umgehen und fragen uns, ob das zuhause auch so abgelaufen wäre - vermutlich nicht.
• Eine Nachbarin, welche auf unserem Stock wohnt kommt dazu und fragt, ob mit uns alles in Ordnung ist. Sie fragt auch, ob wir Hilfe brauchen. Das rührt mich ehrlich gesagt und damit hätte ich nicht gerechnet. Sie sagt uns auch, dass diese Fälle hin und wieder vorkommen. Wir sollen dass auch an der Gebäude Managerin Margot melden, damit das Security Konzept wenn nötig angepasst werden könne.
• Eine uns unbekannte Nachbarin läuft zu uns und bedauert den Vorfall.  Sie teilt uns mit, dass einer Freundin von ihr in einem Gebäude im gleichen Quartier vor kurzer Zeit zwei komplette Autos aus der Tiefgarage geklaut wurden......sind wir hier vielleicht doch in der Bronx, frage ich mich!
• Aufgrund des Gespräches mit uns, hat die Polizistin erfahren, dass wir aktuell noch einen Gast bei uns haben. Sie bittet uns, Mirjam auch zu holen. Sie nehme von uns drei Fingerabrücke, um diese bei der Analyse ausschliessen zu können. Was jetzt abläuft, ist an Action fast nicht mehr zu übertreffen. Von allen 10 Fingern werden die Abdrücke genommen. Heimlich habe ich während HP und Mirj dran waren zwei Fotos aus Distanz gemacht.....das glaubt uns sonst ja keiner!
• Die Polizei hat die Abklärungen abgeschlossen und gibt uns die Informationen zur Report Nummer für die Versicherung. Ich frage mich noch, ob wir ihnen zum Abschied ein Schweizer Souvenir geben sollen. Ich entscheide mich aber dagegen, da ich nicht wegen Beamtenbestechung Probleme bekommen will (im Nachhinein bereue ich diesen Entscheid brutal). Die Beamten verabschieden sich und wünschen uns, dass der Rest der Ferien mit weniger Troubles verbunden ist.
• HP ruft nochmals bei AVIS an, denn von denen hat sich noch niemand blicken lassen. 5 Minuten später steht ein Abschleppwagen vor der Türe und tauscht die Autos aus.

Wir fragen uns immer wieder warum nur unser Auto für einen Einbruch ausgewählt wurde. Die Vermutung der Polizei:

Wir haben die Halterung vom Navi/GPS nicht entfernt, daraus wurde der Rückschluss gemacht, dass auch ein Navi im Auto ist. Der Rückschluss war korrekt, unser altes Navi wurde geklaut auch noch ca. 30 USD in kleinen Scheinen. Die wären eigentlich für Obdachlose gewesen, die an Kreuzungen nach etwas Kleingeld fragen.

Lieber Dieb oder neuer Besitzer des geklauten Navis: Wenn Du das Gerät in Betrieb nimmst, quatscht es Dich auf Deutsch voll.....viel Spass beim Suchen der Geräteeinstellungen. Zum Glück bist Du nicht früher gekommen, sonst wäre der Koffer von Mirj auch weg. Dann wäre der Ärger noch grösser gewesen!

Am Abend haben wir Familie Sagrati für Korean BBQ getroffen, lecker und wie immer sehr lustig! Wir haben uns gleich für den nächsten Freitag wieder zum Dinner verabredet.