Es gibt Leute, die würden sagen, ich habe eine leichte Tendenz zum ÖV-Muffel. Ganz anders in Cardiff, denn hier fährt der Bus in die City auf dem Wasser! Mit einem Starbucks Latte to go in der Hand steigen wir ein. Gemäss Fahrplan fährt der Aquabus in 10 Minuten los. Plötzlich rennt der Kapitän wie von der Tarantel gestochen von Bord. Wir bleiben sitzen!
Um 07.15 Uhr sind wir in flauschige Bademäntel gehüllt und mit Hotelschlärpchen ausgestattet auf dem Weg zum Wellness Bereich des Hotels. Die nette Dame am Empfang wünscht uns gute Erhohlung und drückt uns überdimensionale Badetücher in die Hand. 5 Minuten später sitzen wir im dampfenden Whirlpool. Herrlich! Entspannen haben wir so dringend nötig, bei soooooo viel Stress!
Heute steht die City von Cardiff auf unserem Plan. Wir nehmen von der Marina in die Innenstadt den Aquabus, der lustigerweise mit fast den gleichen Sitzbezügen wie die SBB ausgestattet ist. ÖV eben, Design vom Feinsten, puh! Wir sitzen mit unseren Kaffeebechern in der Hand als einzige Passagiere auf dem Boot. Der Kapitän ist weg, rausgerannt als sei er auf der Flucht. Wir warten, es geht ja noch 10 Minuten bis zum Ablegen! Zwei Minuten vor Abfahrt, kommt der Kapitän zurück und hält seinen Becher von Starbucks in die Höhe! Wir hatten denselben Plan, sagt er. Ich sage «Cheers!». Ein zweites Besatzungsmitglied kommt an Board und begrüsst uns zum privaten Shuttle Service. Es kommen keine anderen Passagiere mehr!
Cardiff, seit 1955 die Hauptstadt, liegt an der Südküste von Wales, dort wo der Fluss Taff in das Severn Estuary (Zusammenfluss von mehreren Flüssen u.a. dem Severn, dem längsten Fluss von Grossbritannien) mündet. Als Hauptstadt ist Cardiff die jüngste Stadt Europas oder gar der Welt, doch als Gemeinde existiert Cardiff schon seit etwa 2000 Jahren.
Im pulsierenden Stadtzentrum bestaunen wir innovative Architektur neben historischen Gebäuden. Beim Spazieren gelangen wir innert kürzester Zeit von der Haupteinkaufsstrasse direkt in grüne Parkanlagen und wieder zurück. Wir sehen, dass sich hier in Cardiff Mythos und die Morderne wunderbar vermischen. Die walisische Kultur mit ihren Drachen und keltischen Mythen lebt mitten in einer technologisierten Stadt.
Es sind aktuell Schulferien und das Osterwochenende steht bevor. Die City ist voll von gutgelaunten Menschen, die Stimmung ist super. Wir amüsieren uns prächtig ab den Strassenmusikanten. Die haben hier echt das Prädikat «komische Vögel» verdient. Zum Beispiel spielt Supermario irgendwelche Game-Melodien auf seinem schäpernden Keyboard oder ein möchtegern Stardrummer begleitet auf seinem Minischlagzeug ab Konserve abgespielte Rockhymnen. Taktgefühl Fehlanzeige, AC/DC würde die Krise kriegen aber er hat Spass und wir auch!
Was ganz klar herauskommt ist die spezielle Rivalität, die die Waliser mit den Engländern haben. In einem Geschäft sagt uns ein Verkäufer, als wir ihm unsere Route erklären, dass wir jetzt in Wales den ganz klar schöneren Teil unserer Reise erleben. England sei bezüglich Attraktivität weit hinter Wales. Er lacht schallend. In diversen Schaufenstern sehen wir den auf Sport bezogene Sprüche. Die lauten zum Beispiel: «Ich unterstütze zwei Teams. Das Erste ist Wales und das Zweite ist, wer auch immer gegen England spielt». Die Stadt ist zudem im Rugby Fieber und macht sich bereit für die 9. Rugby-Union-Weltmeisterschaft, die vom 20. September bis 2. November 2019 in Japan stattfinden wird. Go Wales!
Zwischen Cardiff Castle im Norden und Cardiff Central Station liegt «Arkadien». Hier gibt es noch 12 alte, überdachte viktorianische Einkaufsarkaden mit kleinen Geschäften und Restaurants, die um das Ende des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Auf den mehreren hundert Metern zu Flanieren macht nicht nur an Regentagen Spass. Die Arkaden der Castle Street, Duke Street und der High Street sind aus meiner Sicht die schönsten. Die opulent verzierten Holztüren, versteckten Balkonen oder venezianischen Fenstern sind unglaublich schön.
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