Evakuation!

00:32 Uhr und es ist stockdunkel! Schrille und ganz bissige Töne reissen uns aus dem Schlaf. Feueralarm! Der unglaublich laute und und in den Ohren fast schmerzende Krach dauert länger als 3 Minuten an. Das heisst evakuieren und zwar sofort! 

 Sirenen und Alarm aller Art gehören in einer Grossstadt mit 1.5 Mio. Einwohnern zur normalen Geräuschkulisse. Knapp 400 Meter von uns entfernt ist die Fire Station 4. Die im Februar 1938 eröffnete Wache ist die älteste der Stadt. Bei uns fahren daher mehrmals pro Tag Feuerwehrautos und Ambulanzen mit Blaulicht und Sirene vorbei. In den USA rückt die Feuerwehr bei fast allen Vorkommnissen als erstes aus.  Das heisst bei Feuer, Unfällen und auch bei sonstigen medizinischen Notfällen. Die Rettung, bei uns 144, gehört hier zur Feuerwehr und die Sanitäter sind auch auf den Feuerwachen stationiert. Die Stadt San Diego hat inkl. Flughafen 51 Feuerwachen. Diese werden, wie die Polizei auch, im Notfall über 9-1-1 gerufen. Ebenfalls zur Organisation der Feuerwehr gehören übrigens die Lifeguards (die Kollegen von Mitch Buchannon). Die sind selbstverständlich am Strand stationiert! Das jährliche Budget für die Fire Rescue Organization ist in San Diego rund USD 320 Mio.

 

Aber zurück ins Apartment 706! Der Alarm geht durch Mark und Bein. Es ist ein ganz unangenehmes Pfeifen, wir haben bereits geschlafen. Im 2014 hatten wir bereits einen solchen Vorfall, als in einer Wohnung im Gebäude tagsüber das Öl in einer Bratpfanne brannte. Damals hatte uns ein netter Nachbar über den Ablauf und das Verhalten informiert. Es gilt: Wird der Alarm nicht innert wenigen Minuten (ca. 3 – 5) abgestellt, muss umgehend evakuiert werden. 

 

Wir wissen also was zu tun ist, die 3 – 5 Minuten sind um, es gilt ernst. Ich habe das Gefühl, dass H-P noch nicht ganz wach ist. Er geht seelenruhig auf die Toilette und dann findet er seine Brille nicht. Ich packe in dieser Zeit die Pässe, Portemonnaies, Mobilephones und den Laptop ein. H-P wuselt mittlerweile in der Wohnung rum sucht noch immer die Brille. Ich bin sehr erstaunt, denn er ist sonst sehr organisiert und auch sensibilisiert für Notfallprozesse. Dann taucht zum Glück die verflixte Brille doch noch auf. Wir haben uns noch schnell etwas über den Pyjama angezogen. Auf der Strasse im PJ rumstehen macht ja doch nicht so viel Spass und kühl ist es auch.

 

Dann verlassen wir die Wohnung. Im Flur ist der Alarm noch viel lauter. Zusätzlich blitzen auch noch Lampen auf, die machen einen so richtig kirre. Es ist definitiv ein unangenehmes Gefühl. Aus den anderen Wohnungen laufen unsere Nachbarn raus. Auch sie haben eine Tasche mit den wichtigsten persönlichen Gegenständen dabei. Die kleinen Haustiere werden in Transportboxen runtergetragen. Die grösseren Haustiere laufen mit ihrem Herrchen selber raus. Die ganze Evakuation läuft gut organisiert und sehr gesittet ab. Keine Panik oder Hektik und auch keine Drängeleien. Wir wohnen im obersten Stock und laufen über den Notausgang, der am nächsten bei unserem Apartment ist, die 7 Geschosse runter. Die Treppe ist gut zwei Meter breit, so können innert kürzester Zeit sehr viele Leute problemlos das Gebäude verlassen.

 

Im ganzen Komplex befinden sich über 200 Wohnungen. Von 4 solchen Notausgängen weiss ich, vermutlich gibt’s noch mehr. Auf der Strasse sieht es aus, als wäre eine Versammlung oder Demonstration im Gange. Die evakuierten Bewohner stehen auf dem Trottoir rum und plaudern. Zwei grosse Trucks der Feuerwehr stehen bereits vor dem Eingang, die Strasse ist auch schon abgesperrt. Wir warten etwas abseits auf der anderen Strassenseite. Erstens wollen wir der Feuerwehr nicht im Weg stehen und zweitens haben wir so den perfekten Überblick. Es kommen laufend noch Bewohner aus den Notausgängen raus. Ein Hund jault in etwa in der Tonlage des Feueralarms und andere Hunde schauen ihm dabei zu. Näme mich wunder, was die denken! Die Feuerwehrmänner sprechen sich unter der Leitung ihres Chiefs ab. Ein Teil der Mannschaft bleibt draussen und 5 gehen in Vollmontur rein. Alles läuft total ruhig und routiniert ab. Für uns ist das ganze extrem aufregend, für die Feuerwehrcrew logischerweise daily business. Nach ca. 20 Minuten kommen zwei Feuerwehrmänner wieder raus und ein riesiger Ventilator wird ins Gebäude getragen.

 

Der Einsatz dauert insgesamt 35 Minuten. Dann wird das Gebäude wieder freigegeben und wir können zurück in die Wohnung. Bis alle zwei- und vierbeinigen Bewohner wieder drinnen sind, dauert es einige Zeit. Wir haben keine Lust auf Schlange stehen und warten noch ein paar Minuten. Als wir vor unserer Wohnungstüre stehen und den Schlüssel drehen wollen, kommen drei Feuerwehrmänner um die Ecke. Ups...der Vorfall war in unserem Trakt und auf unserem Stock. Ich bedanke mich, dass sie so schnell gekommen und die Situation geregelt haben. Einer sagt «Gerne geschehen, ist unser Job. Schlaft gut, es ist jetzt alles in Ordnung». Zu fragen was los war, habe ich mich nicht getraut. Ein waschechter Amerikaner hätte dies wohl gemacht. Mal schauen, ob wir in den nächsten Tagen im Lift weitere Infos beschaffen können! Gossip vom Feinsten!

 

Vor einigen Tagen habe ich auf Instagram ein Video gesehen, in welchem das San Diego County darauf aufmerksam macht, wie man sich auf Notfälle vorbereiten soll. Lohnt sich sicher sich darüber Gedanken zu machen!

 

 

 

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