
Es gibt in Andalusien sogar eine eigene Route, um die rund 30 «Weissen Dörfer» zu besichtigen. Diese Bergdörfer sind berühmt für ihre weiss gekalkten Häuser. Heute stehen bei uns zwei davon auf dem Programm: Ronda und Setenil de las Bodegas. Beide sollen zu den schönsten gehören und obendrein sind sie sehr unterschiedlich. Dass sie auch nicht weit auseinanderliegen, macht die Sache perfekt.
Auf unseren bisherigen Ausflügen haben wir schon das eine oder andere dieser Dörfer von Weitem gesehen oder durchfahren, aber noch keines wirklich besichtigt. Die gesamte Fahrzeit unserer heutigen Tour beträgt etwa drei Stunden, das gibt genug Raum für Erkundungen zu Fuss und natürlich für einen ausgiebigen Lunch.
Die Fahrt durchs Hinterland von Málaga ist atemberaubend. Plötzlich sind wir auf rund 1'000 Metern über Meer und blicken in eine Landschaft aus sanften Hügeln, Felsformationen und Bergkämmen. Immer wieder begegnen uns Ziegenherden, vermutlich alle im Dienste der Käseproduktion. Gracias, amigos!
Unser erster Stopp ist ein Aussichtspunkt, von dem aus wir die berühmte «Puente Nuevo» von unten bestaunen können. «Neu» ist relativ: Die Brücke stammt aus dem 18. Jahrhundert aber sie ist neuer als die ältere Brücke, die es in Ronda ebenfalls zu sehen gibt. Schon dieser kleine Namens-Fact verwirrt viele Besucher. Die «Puente Nuevo» überspannt in schwindelerregenden 120 Metern Höhe eine tiefe Schlucht. Von unten wirkt das schon spektakulär. Da steigt die Vorfreude, sie auch von oben zu sehen.
Etwas später parken wir auf einem der öffentlichen Plätze und laufen los. Spektakulärer kann eine Stadt - mit immerhin 35'000 Einwohnern - kaum gelegen sein. Die Altstadt thront auf einem schroffen Felsplateau, das an allen Seiten steil abfällt. Zwischen Häuserwand und Abgrund sind manchmal kaum zwei Meter Abstand. Wer hier einen Balkon hat, braucht Nerven wie Drahtseile. Runtergerechnet wären das locker 36 Stockwerke – und Erosion passiert ja bekanntlich einfach so. Für mich definitiv nichts!
Natürlich überqueren wir die Brücke zu Fuss, gemeinsam mit gefühlt 50 Reisegruppen aus aller Welt. Reiseführer wedeln mit Schirmen, Antennen und Fähnchen, um ihre Schäfchen zusammenzuhalten. Wir hingegen schlendern gemütlich durch die malerischen Strassen, passieren die Stierkampfarena, knipsen das eine oder andere Foto und suchen nach einem Lunchspot. In der Fussgängerzone gefällt uns ein Restaurant und wir bekommen einen schönen Tisch. Die Karte ist auf mindestens vier Sprachen übersetzt - hier ist man auf internationales Publikum eingestellt. H-P bestellt eine Paella, ich entscheide mich für ein Eiergericht, das in der Karte als eine Art Tortilla beschrieben ist: Eier, Kartoffeln, Ibérico-Schinken, Trüffel, Tomaten. Auf Englisch stand etwas von «Broken Eggs», auf Spanisch «huevos, patatas, Ibérico, tomate». Passt. Was dann serviert wird, überrascht mich: handgeschnittene Pommes, darauf zwei Spiegeleier, kunstvoll drapierter Ibérico-Schinken, Trüffelspäne und gedämpfte Cherrytomaten. Definitiv nicht das, was ich erwartet hätte und auch nichts, was ich bewusst bestellt hätte. Aber: absolute Weltklasse!
Weiter geht’s: 30 Minuten nach Setenil de las Bodegas. Hier leben nur rund 3'000 Menschen, in den Sommermonaten aber kommen Touristen in Scharen. Heute gehören wir auch dazu, es ist einfach zu spektakulär, um es auszulassen. Apple Maps tut sich mit dem Parkplatz schwer, wir drehen ein paar Extrarunden und stehen plötzlich vor der Einfahrt einer Tiefgarage, die einfach in den Felsen gefräst wurde.
Setenil ist einzigartig! Das Dorf liegt in einer Schlucht, die Häuser sind direkt in den Fels hineingebaut. Teilweise dient die massive Felsdecke sogar als Dach. Wir hatten online gelesen, dass die Rückwände vieler Häuser schlicht der Fels selbst sind; krumm, feucht, unperfekt. Wahnsinn, dass so etwas überhaupt funktioniert.
Besonders sehenswert sind die Gassen «Cuevas del Sol» und «Cuevas de la Sombra» (Höhlen der Sonne und des Schattens). In der Sonne gibt’s die besseren Fotos, im Schatten ist es angenehmer auszuhalten. Apropos: Es sind 36 Grad! Unser täglicher Begleiter heisst «Aquarius», ein isotonischer Drink, den man an jeder Ecke bekommt. Salud! Mit neuer Energie laufen wir weiter durch die Gassen...rauf, runter, immer wieder um den nächsten Layer des Dorfes zu erkunden. Gut, dass wir wieder auf solides Schuhwerk gesetzt haben.
Auf der Rückfahrt nach Málaga sind wir beide einfach nur «gewowed». Wieder ein Tag, an dem wir aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Andalucía, te amamos!
A
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